Das Cover der Box von “Die Krieger von Mittelerde”
Es ist viel zu lange her, dass ich etwas zu meinem Lieblingsspiel geschrieben habe, und da ich letztlich noch einmal eine grandiose Partie mit der “Krieger von Mittelerde” spielen konnte, nehme ich mir nun die Zeit, endlich eine Rezension zu selbiger zu verfassen. Wie immer sei angemerkt, dass ich als Playtester und Korrekturleser etwas voreingenommen an die Sache herangehe, aber mein Bestes gebe so objektiv wie möglich zu sein.
Übersicht
Die Krieger von Mittelerde (im folgenden KvM abgekürzt) ist die zweite Erweiterung für das Spiel “Der Ringkrieg” von Ares Games (deutsch bei Asmodee). Wie schon “Die Herren von Mittelerde” (HvM) greift sie Ideen aus der alten Erweiterung für die erste Edition des Spiels auf, setzt sie neu um und baut sie aus. Diesmal sind es die Fraktionen, d.h. kleinere Gruppierungen oder Mächte von Mittelerde, die keine eigenen Nationen sind, aber dennoch in die Schlachten des Ringkrieges eingreifen. Sie werden über neue Figuren, neue Würfel und viele neue Karten dargestellt, was diese Erweiterung deutlich umfangreicher als die erste macht. Das schlägt sich auch im Preis nieder; gegenüber der ca. €30 für HvM, muss man hier ungefähr €40 anlegen.
Die Boxen des Grundspiels und der beiden Erweiterungen.
Das Material
Die “Krieger” kommen in einer doppelt so großen Box wie die “Herren” daher. Diese ist damit aber immer noch deutlich kleiner als die des Grundspiels. Das Cover ziert ein weiteres grandioses Bild von John Howe: Die Zerstörung von Isengart durch die Ents, in der vielleicht besten Darstellung dieser Szene, die mir bisher überhaupt untergekommen ist.
Die Figuren: Adler, Tote von Dunharg, Ents, Kankras Brut, Dunländer und Korsaren
In der Box finden sich 48 Plastikfiguren (6 Fraktionen a jeweils 8 Figuren), zwei neue Würfel, 8 neue Ereigniskarten, zwei Stapel a jeweils 20 Fraktionsereigniskarten, 12 “Zu den Waffen”-Karten und 6 übergroße Referenzkarten für die Fraktionen.
Auch bei diesen Figuren wiederholen sich ein paar Designs, die man vorher gesehen hat: Ents, Hügelmenschen und Korsaren kennen wir aus der Erweiterung der ersten Edition, und die Adler waren in dieser Gestalt in “Der Schlacht der Fünf Heere” enthalten. Aber die Spinnen von Kankras Brut und die Toten von Dunharg sind ganz neu. Alt wie neu gefallen sie mir alle sehr gut und natürlich sind inzwischen auch alle zünftig bemalt, damit sie auf dem Tisch auch gut aussehen.
Die Fraktionswürfel für die Freien Völker (grün) und den Schatten (orange).
Zwei neue Würfel sind dabei, einer für jede Seite. Sie sind sowohl in der Farbe als auch der Symbolik komplett neu, was die Möglichkeiten der Fraktionen auch optisch vom Rest des Spiels unterscheidet.
Die meisten Karten haben das übliche Tarot-Format des Ringkriegs, wobei die Fraktionsereigniskarten ihren eigenen Stabel bekommen und daher auch auf der Rückseite ein eigenes Symbol haben. Sehr gut gefällt mir, dass die meisten Karten auch auf der Vorderseite nach der Fraktion unterschieden sind, zu der sie gehören und zwar durch eine schwarz-weiße Illustration in der unteren Hälfte der Karten.
Die Fraktionen und ihre Referenzkarten
Aber das Highlight der Karten sind die überformatigen Referenzkarten für die Fraktionen, denn sie haben jede ein tolles Bild von John Howe spendiert bekommen. Auf der Vorderseite steht die Bedingung, mit der sie ins Spiel gebracht werden können. Wenn das geschieht, werden sie umgedreht und dienen als Regelreferenz für die Fraktion.
Zu guter Letzt enthält die Box noch das Regelheft (im selben schmalen Format wie bei HvM) und zwei Referenzblätter mit allen möglichen Würfelergebnissen und Aktionen. Praktischerweise sind da nicht nur die neuen Würfel drauf, sondern auch die aus dem Grundspiel und der ersten Erweiterung. So hat man alles an einem Ort.
Regelbuch und Referenzblätter
Insgesamt ist das enthaltene Material gewohnt hochwertig, und die Menge rechtfertigt auf jeden Fall den höheren Preis gegenüber der HvM-Erweiterung. Daran ist also nichts auszusetzen, aber wie sieht es nun mit der praktischen Anwendung im Spiel aus?
Die Regeln
Die Krieger von Mittelerde liefern mit ihren verschiedenen Fraktionen ein neues Subsystem an Regeln und Komponenten für den Ringkrieg. Beide Seiten bekommen einen neuen Kartenstapel (die Fraktionsereigniskarten) von dem sie jeden Runde eine Karte ziehen. Sobald die erste Fraktion ins Spiel gebracht wurde, erhält ihr Spieler ab der nächsten Runde seinen Fraktionswürfel. Mit dessen Aktionen können neuen Figuren der Fraktionen ins Spiel gebracht und Karten vom jeweiligen Stapel gezogen und gespielt werden. Dabei sind die Fraktionsfiguren keine Armee-Einheiten, und obwohl sie manchmal mit Armee ziehen und diese unterstützen können, funktionieren sie doch meistens getrennt von den Einheiten. Sie sind auch alle unterschiedlich in ihren Möglichkeiten und Auswirkungen im Spiel.
Gemeinsam haben sie jedoch, dass man im Kampf ihre “Zu den Waffen” Karten verwenden kann, wenn Figuren einer Fraktion in Reichweite sind. Diese funktionieren wie andere Kampfkarten in der Schlacht und können alternativ zu diesen gespielt werden, werden aber nach der Kampfrunde nicht abgelegt, sondern kommen wieder auf die Hand. Stattdessen muss man meistens eine Figur der Fraktion entfernen, um den Kampfeffekt auszulösen. Im Folgenden will ich jede der Fraktionen einmal kurz vorstellen.
Die Korsaren von Umbar
Die Korsaren können vom Schatten ins Spiel gebracht werden, sobald die Südländer und Ostlinge im Krieg sind. Mit Hilfe der Fraktionsereigniskarten können sie sich entlang der Küsten und des Anduin bewegen und dabei auch Truppen transportieren. Ein überfallartiger Angriff auf Dol Amroth ist nicht mehr ganz so möglich, wie mit ihrer Ereigniskarte aus dem Grundspiel, aber dafür sind sie flexibler einsetzbar. Ihre “Zu den Waffen” Karten erlauben es, Nachschub aus einer Nachbarregion in die Schlacht zu holen, oder eine Belagerung fortzuführen ohne eine Elite-Einheit zu reduzieren. Das kann insbesondere bei der Belagerung von Minas Tirith ungeheuer nützlich sein
Die Hügelmenschen von Dunland
Die Dunländer
Die Dunländer stehen bereit sobald Saruman ins Spiel gekommen ist und sind leicht und zahlreich zu rekrutieren. Vor allen Dingen kann man sie auch direkt in einer Armee in Rohan einsetzen , so dass man sich die Anmarschwege für die Verstärkung spart. Sehr kampfstark sind sie nicht, aber mit ihren “Zu den Waffen” Karten können sie dann als Kanonenfutter bei den Angriffen Isengarts verwendet werden, und einige Fraktionsereigniskarten erhöhen ihren Nutzen erheblich.
Kankras Brut
Kankras Brut
Im Gegensatz zu den beiden anderen Fraktionen des Schatten sind die Spinnen aus Kankras Brut auch bei der Jagd auf den Ring nützlich und nicht nur in der Schlacht. Mit den richtigen Karten kann man zusätzliche Jagdspielsteine ziehen oder direkt die Macht des Rings erhöhen. Auch der spezielle Jagd-Spielstein “Kankras Lauer” kommt nun über diese Karten ins Spiel und nicht mehr über die normalen Ereigniskarten. In der Schlacht können die Spinnen eventuell zusätzlichen Schaden verursachen, oder Anführer und Gefährten der Stufe 1 töten – beides eher schwächere Kampfeffekte.
Die Adler des Nebelgebirges
Die Adler des Nebelgebirges
Endlich haben auch die Freien Völker fliegende Figuren, die sich wie die Nazgul beliebig weit über das Spielbrett bewegen können! Die Adler sind sehr flexibel einsetzbar und können an den verschiedensten Orten ins Spielgeschehen eingreifen. Mit ein paar Karten unterstützen sie Gefährten und Ringträger, aber vor allen Dingen können sie im Kampf die Führung der Nazgul aufheben und eventuell den einen oder anderen zusätzlichen Treffer verursachen.
Bei dieser Gelegenheit kann ich auch erwähnen, dass die Figuren der Fraktionen ähnlichen Regeln wie die Armee-Einheiten unterliegen. Entfernte Figuren der Freien Völker sind für immer aus dem Spiel, so dass die Guten nie mehr als acht dieser Figuren im Spiel einsetzen können. Dagegen lassen sich die Figuren des Schatten immer wieder neu rekrutieren, so dass sie theoretisch unbegrenzt einsetzbar sind.
Die Ents von Fangorn
Die Ents
Die Fraktion der Ents ersetzt im Prinzip die drei Ereigniskarten aus dem Grundspiel, die Angriffe auf Orthanc erlauben. Stattdessen kann man nun die Ents an verschiedenen Schauplätzen einsetzen und zum Beispiel bei der Verteidigung Loriens helfen, Minas Tirith zu Hilfe kommen oder sogar Dol Guldur angreifen. Eine Fraktionsereigniskarte erlaubt es sogar einen Ableger des Entwalds im Alten Wald zu bilden und vielleicht die Huorns ins Auenland marschieren zu lassen. Im Kampf können die Ents furchtbare Schläge gegen den Schatten ausführen, oder einen Kampf nach der Runde abbrechen, so dass die Freien Völker eventuell wertvolle Zeit gewinnen können.
Die Toten von Dunharg
Die Toten von Dunharg
Eine der vielleicht mächtigsten aber auch eingeschränktesten Fraktionen sind die Toten von Dunharg. Sie können nur ins Spiel gebracht werden, wenn sie Streicher/Aragorn in der Nähe von Erech aufhält. Aber einmal im Spiel können sie einen Angriff des Schatten auf Dol Amroth leicht zu einer zum Scheitern verdammten Unternehmung machen, und auch bis Pelargir und Minas Tirith marschieren, um dort im Kampf Einheiten des Schatten zu vernichten, oder den Kampf abrupt zu beenden.
Fraktionsereigniskarten für die Dunländer und die Adler
Abgesehen von den “Zu den Waffen” Karten werden alle Fähigkeiten der Fraktionen über die Fraktionsereigniskarten ausgelöst. Das macht einen natürlich abhängig davon, welche dieser Karten man zieht. Dafür enthält der Stapel auch einige Karten, mit den man ihn manipulieren kann: mehrere Karten ziehen und alle bis auf eine ablegen, nach bestimmten Karten in der Ablage suchen, usw. Außerdem wird dieser Stapel als einziger wieder neu gemischt, wenn er aufgebraucht ist. So stellt das Spiel sicher, dass alle Fraktionen eingesetzt werden können und nicht aus Mangel an passenden Karten völlig außen vor bleiben. Es ist aber durchaus so, dass je nach den Umständen eines Spiels nicht alle Fraktionen ins Spiel eingreifen. In einer Partie mögen nur Korsaren und Adler eine Rolle spielen, in einer anderen sind dafür die Ents und Kankras Brut im Einsatz.
Der Weg nach Westen ist weit… aber vielleicht nicht ganz so gefährlich.
Neben den Fraktionsereignis- und “Zu den Waffen” Karten gibt es noch eine Handvoll neuer “normaler” Ereigniskarten, die als Ersatz für Karten dienen, die wie die Ent-Karten nun über die Fraktionen funktionieren. Eine will ich gesondert erwähnen: Mit “Der Weg nach Westen” kann man die Gemeinschaft einen völlig neue Route nach Mordor einschlagen lassen: Zu den Grauen Anfurten und dann mit dem Schiff nach Gondor. Aber auch da droht Gefahr, denn die Korsaren von Umbar können diese Route empfindlich stören!
Errata
Ich will nicht verschweigen, dass sich diesmal bei der Übersetzung leider ein paar Fehler auf den Karten eingeschlichen haben. Die Errata findet ihr natürlich auf dieser Seite, sowie auch den Download der korrigierten PDFs und ein paar Hinweise, wie ihr diese Korrekturen auf euren Karten einarbeiten könnt.
Kankras Brut jagt die Ringträger und setzt ihnen sehr zu.
Fazit
Mehr noch als die Herren von Mittelerde, bringen die Krieger ein ganz neues Element in das Spiel ein. Man hat nun drei Stapel von Karten und bis zu zehn auf der Hand, so dass man einige zusätzliche Optionen zu bedenken hat. Das verlängert das Spiel etwas, und mag für eher unerfahrene Spieler ein bisschen überfordernd sein. Aber für versierte Ringkrieg-Spieler eröffnen sich ganz neue Strategien und Möglichkeiten, die das Spielerlebnis erheblich erweitern können. Im Gegensatz zur Erweiterung der ersten Edition, in der zum Beispiel die Korsaren wenig nützlich waren, haben hier alle Fraktionen ihre Funktion und können je nach Spielverlauf sehr wichtig sein. Schön finde ich, dass nicht immer alle im Spiel sein müssen, so dass die Partien sich noch variabler gestalten können.
Die Regeln für Kankras Brut
Die Autoren schaffen es auch diesmal, die Stimmung der Vorlage kongenial einzufangen. Alle Option der Fraktionen wirken glaubhaft für Mittelerde und den Herrn der Ringe. Ja, die Armee der Toten ist mächtig, aber sie wird nicht im Alleingang die Armeen Saurons vernichten und mal eben die Belagerung von Minas Tirith beenden. Und die Adler sind sehr nützlich gegen die Nazgûl, aber sie werden nicht die Gemeinschaft auf direktem Weg nach Mordor fliegen (
oder doch?).
Wie immer beim Ringkrieg sage ich, dass das Grundspiel schon so gut ist, dass man die Erweiterung nicht braucht, um ein großartiges Spielerlebnis zu haben. Aber wer ein bisschen mehr Abwechslung ins Spiel bringen oder einfach mehr Strategien ausprobieren möchte, kann mit den Kriegern von Mittelerde nichts falsch machen. Von mir aus also auf jeden Fall eine Empfehlung für jeden Ringkrieg-Fan!
Ich benutze daher diese Erweiterung, wenn ich ein etwas längeres Spiel mit mehr taktischen Varianten möchte. Wenn ich eher eine schnellere, geradlinige Partie möchte, spiele ich eher das Grundspiel. Die Herren von Mittelerde lassen sich auch prima mit den Kriegern kombinieren, aber damit habe ich noch keine größeren Erfahrungen gesammelt.
Der Inhalt der Krieger von Mittelerde (englische Box)