Das Spiel erschien 2011 im Zuge von Wizards of the Coasts Initiative, D&D mehr auf dem Brettspielmarkt zu etablieren (um dieselbe Zeit erschien mit Castle Ravenloft der erste der kooperativen Dungeon Crawler unter dem D&D Label). Es kommt klar aus der Tradition des sogenannten „Ameritrash“ Spiele und zieht seine Inspiration aus Klassikern wie Risiko und insbesondere Axies & Allies.
Conquest of Nerath ist ein 4-Personen Spiel, in dem vier Reiche um die Vorherrschaft in einer Fantasywelt streiten. Wahlweise kann man es zwei gegen zwei (Gut gegen Böse) oder jeder gegen jeden spielen. Auch zu zweit oder dritt ist es spielbar, indem einer oder beide Spieler zwei Parteien übernehmen. Reihum handeln die Spieler Ereigniskarten ab, bewegen ihre aus unterschiedlichen Einheiten und Monstern bestehenden Armeen, schlagen Schlachten gegen die anderen Reiche, durchsuchen Dungeons nach magischen Artefakten, nehmen Gold ein und geben es wieder aus, um neue Truppen anzuheuern. Dabei sammeln sie Siegpunkte, und derjenige, der je nach gewünschter Länge des Spiels zuerst eine bestimmte Anzahl erreicht hat, hat gewonnen.
Nachdem man seine Augen lange genug an dem wirklich hervorragenden Cover ergötzt und die Schachtel geöffnet hat, sieht man sich einer der größten Stärken dieses Spiels gegenüber, nämlich der üppigen Ausstattung und dem wirklich wunderschön gestaltetem Spielmaterial. Die Plastikfiguren sind nicht nur detailliert (und laden mal wieder zum Anmalen ein), sondern zeigen auch teilweise unterschiedliche Figuren für die verschiedenen Reiche. So hat z.B. das böse Empire of Karkoth Skelettkrieger als Fußtruppen und riesige Oger als Monster, während die Elfen von Vailinn Bogenschützen bzw. Baumhirten für dieselben Arten von Einheiten haben. Ich habe die Figuren für mich noch ein wenig aufgewertet, indem ich die Drachen (natürlich gibt es Drachen!) auf Flugbasen gesetzt habe, so dass sie wunderbar majestätisch über dem Spielfeld schweben.
Die Regeln
Nach der Kampfphase können fliegende Monster noch einmal bewegt und umgruppiert werden, und Helden verlassen die Dungeons. Dann kann der Spieler aus seiner Staatskasse neue Truppen kaufen und in der Nähe seiner Burgen platzieren. Zum Schluss bekommt er noch Einkommen für seine besetzten Gebiete: einfach 1 Gold pro Region. Dann ist der nächste Spieler an der Reihe.
Das Spiel ist ganz auf aggressive Konflikte ausgelegt, um Einigeln und Abwarten zu vermeiden und das Spielgeschehen zu beschleunigen. Siegpunkte gibt es nur für das Erobern fremder Territorien. Wenn man seine eigenen Gebiete zurückerobert, gibt es keine. Auch dass der Verteidiger sich nicht aus einem Kampf zurück ziehen kann, dient diesem Zweck. Einen beträchtlichen Anteil seiner Siegpunkte kann man aus gefundenen Schätzen beziehen, was das Erforschen der Dungeons zu einem durchaus wichtigen Bestandteil des Spiels macht. Die für einen Sieg notwendige Anzahl an Siegpunkten ergibt sich daraus, wie lange man spielen will. Für ein kurzes Spiel sind 13 Siegpunkte empfohlen bzw. 20, wenn man 2-gegen-2 spielt, und 20 bzw. 30 für ein mittellanges Spiels. Nur wenn man eine ganz lange Partie bevorzugt, schlagen die Regeln vor, solange zu spielen, bis man alle Hauptstädte der Gegner erobert hat oder 8 bzw. 12 Schätze sein eigen nennt.
Grundsätzlich ist Conquest of Nerath ein durchaus einfaches Spiel. Es ist schnell erklärt, und spielt sich im Einzelnen durchaus flott. Insbesondere die Kämpfe sind nett, denn durch die große Anzahl verschiedener Einheiten sind sie durchaus taktisch, aber leicht abzuhandeln, weil man einfach für jede Einheit einen eigenen Würfel wirft, deren Ergebnis man schnell und einfach ablesen kann. Strategisch muss man sich entscheiden, ob man sich auf militärische Eroberungen konzentriert, mehr auf Schatzjagd geht oder ein Gleichgewicht zwischen beidem sucht. Da jeder Spieler auf jeden Fall zwei feindliche Nachbarn hat, muss man auch da gut überlegen, gegen wen man offensiv vorgeht und gegen wen man sich nur verteidigt.
Diesem flüssigen und atmosphärischen Spiel steht leider die etwas altbackene Aufteilung der Spieleraktivität entgegen, wodurch man gerade im 4er-Spiel ziemlich lange Wartezeiten zwischen seinen Zügen hat. Hier hätte ich mir ein moderneres Regeldesign gewünscht. Immer wieder geht mir durch den Kopf, dass mit einer Regelung wie den Aktionswürfeln im Ringkrieg oder Conan das Spiel ein wirklich großartiges 4er-Strategiespiel sein könnte. So ist es zwar durchaus spaßig und auch immer wieder ein Spiel, das ich gerne mitspiele, erreicht aber bei weitem nicht die Klasse des Ringkriegs.
Conquest of Nerath wird schon seit einiger Zeit nicht mehr aufgelegt. Da es aber nie ein großer Verkaufserfolg war, sehe ich es häufig in Spieleläden oder -messen im Angebot zu einem günstigen Preis. Wer Lust auf eine große Fantasy-Plastik-Schlachtplatte hat, und dem ein bisschen Wartezeit und altmodische Regeln im Spiel nichts ausmachen, der sollte die Augen offenhalten und bei einer guten Gelegenheit zuschlagen.
Anmerkungen: Das Spiel ist nur auf Englisch erschienen und wurde nie ins Deutsche übersetzt. Beim Esoteric Order of Gamers gibt es eine sehr nützliche Spielübersicht.