Einer der Gründe, aus denen ich mich in letzter Zeit weniger mit dem Ringkrieg beschäftigt habe, ist ein neues Spiel, das es mir sehr angetan hat: Das Runewars Miniaturenspiel von Fantasy Flight Games (deutsche Version vom Heidelberger Spieleverlag).
Übersicht
Das Miniaturenspiel Runewars – nicht zu verwechseln mit dem Brettspiel Runewars – ist ein Tabletop-Brettspiel-Hybrid, das heißt eine Mischung aus Spielen wie Warhammer Age of Sigmar oder Kings of War auf der einen und X-Wing oder Armada auf der anderen Seite. Man hat hier keinen festen Spielplan mit Feldern oder Regionen, sondern einen offenen Spieltisch, auf dem man Gelände platziert und seine Figuren mit Hilfe von Schablonen bewegt.
Zwei Spieler stellen dabei aus den Einheiten jeweils einer Fraktion eine Armee zusammen – begrenzt durch eine Punktzahl, auf die man sich vorher geeinigt hat. Das Grundspiel stellt dabei einen Grundstock für die beiden ersten Fraktionen zur Verfügung: Die Daqan Lords (Menschen) und das Untotenheer des Waiqar. Dazu kann man sich dann Erweiterungen mit zusätzlichen Einheiten für die Fraktion seiner Wahl kaufen, um sowohl Größe und Variabilität seiner Armee zu erweitern. Man kauft sich also wahrscheinlich nicht nur ein Grundspiel, sondern investiert in ein ganzes Hobby, so ähnlich wie bei X-Wing. SpielmaterialDie Figuren sind natürlich der zentrale Aspekt von Runewars – nichts umsonst heißt es “Miniaturenspiel”. Hier ist auch der größte und entscheidende Unterschied zu Spielen wie X-Wing zu finden: Die Figuren kommen unbemalt und nicht zusammengebaut aus der Box. Der Zusammenbau ist dank des einfachen Stecksystem glücklicherweise sehr einfach, aber um das volle Vergnügen einer bemalten Armee zu bekommen, muss man also noch einiges investieren; entweder an Zeit oder, wenn man einen Bemalservice bemühen möchte, an Geld. Man kann das Spiel natürlich auch spielen, ohne die Figuren zu bemalen, aber richtig toll sieht es aus, wenn die Soldaten, Monstern und Helden in den Farben ihrer Armee erstrahlen.
48 detaillierte Plastikfiguren enthält die Grundbox: 26 aus den Reihen der Untoten und 22 für die Armee der Menschen. Besonders stechen die beiden großen Kreaturen hervor: Die Menschen führen einen riesigen Golem ins Feld, während auf den Seiten der Untoten ein Skelettkrieger auf einem sogenannten Aaswurm in die Schlacht reitet.Neben den Figuren gibt es Tableaus, auf die die Figuren gestellt und aus denen Einheiten formiert werden, Würfel, Kommandohalter, auf denen die Befehle eingestellt werden, Karten für die Einheiten und deren Ausrüstung, Bewegungsschablonen und Entfernungsmesser, sowie – wie es sich für ein Spiel von FFG gehört – jede Menge Pappmarker. Was es nicht gibt, ist ein Spielplan, denn als Tabletop-Spiel wird Runewars auf einer offenen Fläche von 90×90 oder 180×90 Zentimeter gespielt, auf der mit der Hilfe von ebenfalls enthaltenen Pappteilen Gelände dargestellt wird.
Auf jeden Fall ist die Schachtel gut gefüllt und kommt zu einem akzeptablen Preis daher: UVP €89,95, aber im einschlägigen Handel bekommt man sie ab ca. €75. Allerdings enthält die Grundbox nur genug Material für sogenannte “Scharmützel”, d.h. Schlachten mit ca. 100 Punkten. Für eine richtig große Schlacht sind 200 Punkte vorgesehen, und da braucht man mehr Figuren. Da bietet es sich an, sich mit einem Freund zusammen zu tun und für jeden eine Grundbox zu kaufen. Dann tauscht man die Figuren der Armee, die man jeweils nicht spielt, und hat damit genug Material auch größere Schlachten zu schlagen. Der SpielablaufDer erste Schritt einer Partie Runewars findet schon vorab statt: Die Zusammenstellung der Armee, die man ins Feld führen will. Für jede Art von Einheit gibt es eine Karte, auf der die Kosten je nach gewünschter Größe und Formation aufgelistet sind. Dazu gibt es Aufwertungskarten, die man den Einheiten zuordnen kann, die wiederum zusätzliche Punkte kosten. Begrenzt ist das ganze durch die Anzahl Punkte, auf die man sich mit seinem Gegner geeinigt hat. So wird eine ausgeglichene Stärke der beiden Seiten sichergestellt. Durch weitere Karten wird die Aufstellung auf dem Spielfeld und die Verteilung von Gelände festgelegt, dann werden die magischen Runen geworfen (dazu später mehr) und die Schlacht kann beginnen!
Das eigentliche Spiel geht über maximal acht Runden und jede beginnt mit der Kommandophase, in der die Spieler ihren Einheiten geheim Befehle zuweisen. Diese Befehle werden auf den beiden Rädern des Kommandohalters der Einheit eingestellt. Das linke legt den Hauptbefehl fest (Marschieren, im Fern- oder Nahkampf angreifen, Sammeln, usw.) während auf dem rechten Rad ein Modifikator eingestellt wird (drehen, schwenken, verteidigen, Sonderaktionen ausführen). Dabei hat jede Einheit ihre ganz eigene Auswahl an Befehlen und Kombinationen. So hat Kavallerie schnelle und weite Bewegungen, aber dafür keine engen Wendungen, Bogenschützen haben einen Fernkampfangriff zur Verfügung, usw. Jede Befehl hat eine Initiative-Nummer, die in der folgenden Aktivierungsphase wichtig wird. Denn die Einheiten werden nun in der Reihenfolge ihrer eingestellten Initiative aktiviert und ihre Befehle ausgeführt. Ein Spieler hat immer die Priorität in einer Runde, und falls es mehrere Einheiten mit derselben Initiative gibt, beginnt dieser mit einer seiner Einheiten. Danach werden die gleichzeitigen Befehle abwechselnd abgehandelt. Die Ungewissheit über die Absichten und Befehle des Gegners macht das Spiel höchst spannend und abwechslungsreich. Die Optionen des Gegners zu kennen und seine tatsächlichen Handlungen vorauszuahnen ist, neben dem geschickten Bewegen der eigenen Einheiten, der Schlüssel zum Sieg in Runewars. Immer wieder kommt es zu überraschenden Manövern, mit denen man den Gegner verblüffen kann oder umgekehrt zu genau dem Manöver, das man vorausgesehen hat und das einen zufrieden grinsen lässt, weil man vorbereitet ist. Die Kampfstärke der Einheiten im Nah- und/oder Fernkampf wird durch die Farbe und Anzahl ihrer (8- bzw. 12-seitigen) Würfel bestimmt, die wiederum verschiedene Symbole zeigen. Treffer multiplizieren sich mit der “Bedrohung” der Einheit zu Schaden, Energie braucht man für Sonderfähigkeiten der Einheiten, Panik-Symbole lösen Moralproben beim Gegner aus und Todesstöße ignorieren die Verteidigung des Gegners und verursachen direkte Wunden. Denn jede Einheit besitzt einen Verteidigungs- und einen Wundwert. Jedes mal, wenn der Schaden den Verteidigungswert erreicht, erleidet sie eine Wunde, und wenn damit der Wundwert erreicht ist, wird eine Figur der Einheit entfernt. Zum Beispiel hat eine Einheit Speerträger Verteidigung und Wunden 1, so dass jeder Punkt Schaden eine Figur entfernt, während der General der Untoten – Ardus Ix’Erebus – Verteidigung 3 und vier Wunden hat. Dafür ist er auch nur eine Figur, und wenn er 4 Wunden erlitten hat, ist er aus dem Spiel, während die Speerträger je nach Größe der Einheit acht bis 36 Figuren haben und dementsprechend lange durchhalten. In der Endphase wird dann noch der Fluss der Magie für die nächste Runde bestimmt. Dafür wirft der aktive Spieler fünf Marker (die sogenannten Runen) und je nachdem welche Seiten sichtbar sind, sind die drei verschiedenen Arten von Magie unterschiedlich stark: Stabiles, instabiles und natürliches Mana. Von diesem Mana hängen wiederum die unterschiedlichsten Dinge im Spiel ab. Manche Einheiten werden stärker im Angriff, wenn mehr stabiles Mana fließt, andere sind schneller wenn instabiles Mana stark ist, und die Untoten können je nach vorhandenem natürlichen Mana mehr oder weniger Figuren regenerieren.Das Spiel endet schließlich, wenn eine Seite komplett ausgelöscht wurde oder auf jeden Fall am Ende der achten Runde. Danach zählen beide Spieler den Punktewert ihrer auf dem Tisch verbliebenen Einheiten und addieren eventuelle Sonderpunkte, die das Szenario vorgibt. Die höhere Punktzahl gewinnt.
SpielgefühlEhrlicherweise muss man sagen, dass es sich bei Runewars eher um ein ganzes Hobby, als um ein einzelnes Spiel handelt. Jenseits des Grundspiel gibt es schon mehrere Zusatzboxen mit mehr und neuen Figuren, mit denen man seine Armee ausbauen kann. Zum Bemalen der Figuren braucht man Farben und Pinsel, und wer spielt schon gerne auf der blanken Tischplatte? Da muss zumindest eine Spielmatte in ansprechender Gestaltung her.
Wenn einem das nicht zu viel ist, bekommt man mit Runewars ein sehr gutes, taktisches Spiel auf dem Niveau von X-Wing oder Armada. Der Erfolg im Spiel ergibt sich aus mehreren “Fähigkeiten”, die man besitzen muss: Erstens die clevere Zusammenstellung der eigenen Armee, so dass sich deren Einheiten gegenseitig ergänzen und möglichst viele Synergieeffekte hervorrufen; zweitens das geschickte Steuern der eigenen Einheiten auf dem Spielplan unter Einbeziehung des Geländes und der Vorgaben des Szenarios; und drittens das Einschätzen und korrekte “Lesen” des Gegners, um dessen Aktionen vorauszuahnen und sich darauf einstellen zu können. Zusammen mit der großen Vielfalt an Optionen, die man bei der Zusammenstellung der Armeen hat, resultiert das in einem sehr abwechslungsreichen Spiel, das sicherlich über viele Dutzend Partien nicht langweilig werden wird. Erweiterungen und AusblickAls ein Spiel, das von der Vielfalt and Miniaturen, Einheiten und Fraktionen lebt, braucht Runewars natürlich mehr als nur die Grundbox und die beiden darin enthaltenen Parteien. Bereits erschienen sind Boxen mit zusätzlichen Figuren für die ersten Einheiten, Kommandoeinheiten mit Bannerträger, Zauberer, usw., die man in bestehende Einheiten einbauen kann, sowie je ein neuer Held für die Menschen und die Untoten. Zwei neuen Einheiten – Todesritter und Armbrustschützen sind angekündigt. Aber vielleicht am wichtigsten sind die beiden geplanten neuen Fraktionen: Die Latari-Elfen und die Dämonenanbeter der Uthuk Y’llan. Für beide wird es eine “Armee-Box” geben, aus der man eine Streitmacht von ca. 100 Punkten bauen kann (analog der Menschen oder Untoten aus der Grundbox) und dann die üblichen Erweiterungen. Damit stehen vier Fraktionen zur Auswahl, aus denen man sich seine bevorzugte Armee bauen kann.
FazitRunewars mit den anderen Spielen, die ich bisher vorgestellt habe zu vergleichen ist eigentlich ein bisschen unfair – denn wie schon gesagt handelt es sich weniger um ein einzelnes Strategiespiel, das man gelegentlich spielt, als ein ganzes Hobby. Wenn man die Figuren der Grundbox bemalt hat, stehen schon die ersten Erweiterungen Schlange, und vielleicht will man ja auch das flache Pappgelände, mit selbstgebauten 3D-Geländestücken ersetzen. Es gibt immer wieder etwas zu tun, und solange man Spaß an diesem Hobby hat, wird man nie wirklich “fertig”.
Aber wer Spaß an so etwas hat, und vielleicht schon seit einiger Zeit mit der Anschaffung eines Tabletop-Spiels liebäugelt, der findet in Runewars ein wirklich ausgezeichnetes Spiel, bei dem man “am Anfang” einsteigen kann – d.h. ohne dass es schon eine große Fangemeinde, zahlreiche Regelversionen und einen unüberschaubaren Dschungel an Miniaturen gibt. Da ich selbst schon seit einiger Zeit um das Tabletop-Hobby herumschleiche, hat mich diese Möglichkeit sehr angesprochen, und ich habe mir die Grundbox zugelegt. Nachdem ich dann festgestellt habe, dass mir nicht nur die Figuren gefallen, sondern auch das Spiel selbst wirklich gut ist, nenne ich inzwischen zwei Boxen und alle bisher erschienen Erweiterungen mein eigen. Von mir gibt es also auf jeden Fall eine dicke Empfehlung für Runewars – mit dem Caveat, dass es eben kein Spiel für Zwischendurch ist.
Galerie
Natürlich habe ich inzwischen auch schon viele der Figuren bemalt. Hier ist eine Galerie meiner bisherigen Arbeiten.
Sehr schöner Artikel 🙂