Rezension: “Die Herren von Mittelerde”

Die Herren von Mittelerde

Das Cover der Erweiterung zeigt Galadriel und ihren Spiegel.


Nachdem ich nun eine ganze Reihe von Partien mit den “Herren von Mittelerde” gespielt habe, will ich eine kleine Beschreibung der Erweiterung liefern und auch meine Meinung zu ihr kundtun. Es sei angemerkt, dass ich als Spieletester und Korrekturleser fungiert habe, also sicher nicht unvoreingenommen bin.

Übersicht

Die Herren von Mittelerde ist die erste Erweiterung für die 2. Edition von “Der Ringkrieg”. Sie greift Elemente von “Das Ende des Dritten Zeitalters” – der Erweiterung für die 1. Edition auf – verändert diese aber stark und fügt Neues hinzu. Es geht dabei grundsätzlich um zusätzliche Charaktere. Andere Elemente, die Fraktionen und Belagerungsmaschinen, werden erst in späteren Erweiterungen – zwei sind geplant – hinzukommen.

HvM Boxvergleich

Die beiden Boxen im Vergleich

Das Material

Die Herren von Mittelerde kommt in einer deutlich kleineren Schachtel daher als das Grundspiel – ein Drittel des Umfangs und halb so hoch – und dementsprechend ist auch weniger Material enthalten: Ein schmales Regelheft von 31 Seiten, 5 Würfel, 8 Plastikfiguren, ein knappes Dutzend Pappmarker und 28 neue Karten machen die ganze Erweiterung aus.

Wer die alte Erweiterung oder die Collector’s Edition kennt, dem werden ein paar der enthaltenen Figuren bekannt vorkommen: Galadriel, der Balrog, und der Hexenkönig in alternativer Variante. Neu sind dagegen Elrond, Gothmog, eine alternative Form von Saurons Mund, Gandalf der Weiße und Aragorn, König von Gondor. Für die beiden letzteren gibt es zwar keine neuen Regeln, aber es ist nett, für ihre mächtigeren Inkarnationen nun auch eigene Figuren zu haben.

Die Figuren

Vier böse und vier gute Charaktere frisch aus der Schachtel.

Die neuen Figuren gefallen mir im Großen und Ganzen sehr gut, nur Aragorn will irgendwie nicht so mein Herz erwärmen. Er selbst ist ziemlich unspektakulär und sein Pferd leidet an einigen argen anatomischen Missbildungen. Selbst die eigene Bemalung hat da nicht so viel retten können. Meine Lieblinge sind der neue Saurons Mund (schön gruselig) und Gandalf der Weiße, der eine tolle dynamische Pose hat. Natürlich sind sie unbemalt und im selben metallisch-grau wie die Charakterfiguren des Grundspiels gehalten.

Die Würfel

Zwei Schergen- und drei Hüterwürfel

Das heimliche Glanzstück dieser Erweiterung sind aber vielleicht die neuen Würfel. Zu ihrer Funktion gleich mehr, hier sei nur gesagt, dass sie alle fünf unterschiedlich sind, sowohl in der Farbgestaltung als auch den möglichen Ergebnissen. Jeder ist einem Charakter zugeordnet, und das wird durch das Design auch gut vermittelt. In ihrer Qualität und Haptik erinnern sie mich eher an die Würfel der Collector’s Edition als die der Zweiten Edition, was durchaus ein Qualitätsmerkmal ist.

Die Karten und Pappmarker haben die gleiche hohe Qualität wie das Spielmaterial des Grundspiels. Die Karten teilen sich auf in 15 Karten für die neuen und alternativen Charaktere und 13 neue Ereigniskarten. Besonders lobend möchte ich erwähnen, dass bei den Pappmarkern zwei größere Versionen der Smeagol-Marker dabei sind, damit man diese Erweiterung auch zusammen mit den Komponenten der Collector’s Edition spielen kann. So muss es sein!

Die Regeln

Nachdem wir nun die Komponenten ausgepackt haben, sollten wir das Regelbuch aufschlagen und nachschauen, was wir mit ihnen machen sollen. Wie der Name schon sagt, beinhaltet “Die Herren von Mittelerde” hauptsächlich neue und mächtige Charaktere, und zwar die drei Hüter der Elbenringe (Elrond, Galadriel und Gandalf) auf der Seite des Guten und weitere Schergen (der Balrog, Gothmog, Saurons Mund und der Hexenkönig) auf der Seite des Bösen.

Elrond

Selbstbemalter Elrond und Vilya-Würfel

Was machen diese neuen Charaktere? Abgesehen von alternativen, Rekrutierungsmechanismen und Sonderfähigkeiten bringen sie ihre eigenen Würfel ins Spiel. Wenn z.B. Galadriel in Lorien erschienen ist, als Hüterin von Nenya, nimmt der Spielen der Freien Völker den Nenya-Würfel zu seinen aktuellen Aktionswürfeln. Diese sogenannten Hüter- bzw. Schergenwürfel haben unterschiedliche Resultate als die normalen Aktionswürfel, funktionieren aber sonst ähnlich und erweitern die strategischen Optionen beider Spieler erheblich. Sobald der Hexenkönig bzw. Gandalf der Weiße im Spiel sind, werden diese Würfel bei bestimmten Ergebnissen aus dem Spiel entfernt. Dadurch hat man einen Anreiz, das Kommen dieser mächtigen Figuren ein wenig zu verzögern, was wiederum den anderen Charakteren mehr Gelegenheit bietet, zum Einsatz zu kommen. Schauen wir uns die neuen Charakter mal kurz im Einzelnen an:

Elrond, Hüter von Vilya – Er fügt den Vilya-Würfel hinzu, der mehr militärische Optionen bietet. Elrond selbst bleibt in Bruchtal, und stärkt dort die Verteidiger. Außerdem kann er seinen Elbenring dazu verwenden, einmal einen gerade verwendeten Aktionswürfel ein zweites Mal zu benutzen.

Galadriel und Nenya

Selbstbemalte Galadriel und Nenya-Würfel

Galadriel, Hüterin von Nenya – Ihr Nenya-Würfel hilft eher der Gemeinschaft als dem militärischen Teil der Spiels. Ähnlich wie in der alten Erweiterung kann sie in Lorien rekrutieren, selbst wenn es belagert wird. Und mit ihrem Ring kann sie einmal ein bei der Jagd gezogenes Auge komplett aus dem Spiel entfernen.

Gandalf, Hüter von Narya – diese Alternative Variante des Grauen Zauberers stellt den Narya-Würfel zur Verfügung, solange er Ratgeber der Gemeinschaft ist. Mit seinem Elbenring kann er einmal eine Nation, in der er sich befindet , aktivieren und in den Krieg bringen.

Balrog und Würfel

Der selbstbemalte Balrog und sein Würfel

Der Balrog von Moria – Sein Würfel ist leicht ins Spiel zu bringen, treibt aber sowohl Zwergen als auch Elben auf der Politikleiste voran. Die Gemeinschaft muss zusätzliche Jagdsteine ziehen, wenn sie in seiner Region entdeckt wird. Sehr spannend ist die Variante den Balrog zu “aktivieren” und mit ihm Moria zu verlassen. Sowohl bei der Jagd auf die Gemeinschaft als auch in der Schlacht kann er sehr mächtig sein. Allerdings besteht dann auch immer die Gefahr, dass die Freien Völker ihn “deaktivieren” und damit aus dem Spiel nehmen.

Gothmog und Würfel

Selbstbemalter Gothmog und sein Würfel

Gothmog, Statthalter von Morgul – Saurons “zweite Wahl”, der im Buch nur einmal kurz erwähnt wird als er nach dem Tod des Hexenkönigs den Befehl übernimmt, kann sich hier als sehr nützlich erweisen, insbesondere bei der Eroberung Gondors, denn er kann auch im Feld rekrutieren, wenn auch nicht ganz so effektiv wie in den eigenen Siedlungen. Sein Würfel ist auch eher militärisch geprägt.

Damit kommen wir zu den Charakteren, die keine neuen Würfel mitbringen. Der Hexenkönig, Anführer der Ringgeister, ist im Gegensatz zum Schwarzen Heermeister auf die Jagd nach dem Ring fokussiert. Er kann neue Karten ziehen, wenn er Personenkarten spielt und in der Region der Gemeinschaft ist – so kann er sich recht schnell durch den Stapel Personenkarten des Schatten arbeiten und den Ringträgern schwer schaden.

Saurons Mund, Schwarzer Numenorer, kommt in einer Variante daher, die gemustert werden kann, sobald die Freien Völker einen oder mehr Siegpunkte haben. Damit ist er ein effektives Gegenmittel gegen eine militärische Strategie der Guten und kommt eventuell deutlich früher ins Spiel als seine alte Version.

Pappmarker

Zwei Smeagol-Jagdspielsteine und die neuen Elbenringmarker

Neu mit dabei – auch wenn ihn Besitzer der alten Erweiterung schon kennen – ist Smeagol, der die Führung der Gemeinschaft übernimmt sobald einer seiner Jagdsteine gezogen wird. Wie es sich für den armen Wicht gehört, ist er ein zweischneidiges Schwert. Zwar verhindert er Schaden für die Gemeinschaft, aber er blockiert auch andere Gefährten als Ratgeber und kann später unangenehme Folgen haben.

Ereigniskarten

Zwei neue Ereigniskarten: “Die Kunde von den Elbenringen” und “Du weisst den Weg dorthin”

Es gibt dann noch die optionalen Regeln zum “Rat von Bruchtal“, in denen alle anderen Gefährten der Ringträger eine alternative Version bekommen. Diese müssen dann auch nicht unbedingt als Teil der Gemeinschaft beginnen, sondern können in ihren Heimatländern starten, so z.B. Boromir, Heerführer von Gondor, in Minas Tirith. Ich will hier nicht auf alle Einzelheiten eingehen, es sei nur gesagt, dass der Schatten zum Ausgleich einmal verwendbare Aktionsmarker bekommt, mit denen er die Politikleiste beeinflussen, bzw. die Nazgûl bewegen kann.

Schließlich kommen zu den Charakteren eine ganze Reihe neuer Ereigniskarten, von solchen, die es schon in der alten Erweiterung gab (wie Waldläufer des Nordens oder Schatten von Dol Guldur) bis zu ganz neuen (Sichere Pfade in der Dunkelheit oder Die Kunde von den Elbenringen). Alle sind interessant, alle haben sie ihre Anwendungen, so dass sich noch eine ganze Menge weiterer Möglichkeiten im Spiel eröffnen.

Fazit

Wenn man die kleine Schachtel und das eher begrenzte neue Material sieht, mag man auf den ersten Blick denken, dass der empfohlene Preis von €24,95 überteuert ist. Schaut man sich aber an, was die Herren von Mittelerde an neuen Möglichkeiten und Abwechslung im Spiel bringen, wird schnell klar, dass man sehr viel für sein Geld bekommt.

Durch die vielen Alternativen, die die neuen Charaktere bieten, hat man eine Menge neue Entscheidungen zu treffen und kann viele Strategien ausprobieren, die sich im Grundspiel nicht angeboten haben. Vielleicht probiert der Schatten mal aus, nicht Saruman als ersten Schergen zu rekrutieren, sondern nur mit Gothmog und/oder dem Balrog auszukommen und auf das erste Entdecken der Gemeinschaft zu warten, um dann den neuen Hexenkönig zu rekrutieren? Dann kann der Spieler der Freien Völker Gandalf den Weißen vorerst nicht ins Spiel bringen. Oder der Spieler der Guten opfert Gandalf den Grauen nicht bei erster Gelegenheit in der Jagd, und behält damit den Narya-Würfel länger im Spiel.

Für mich ist klar: Sowohl für den passionierten Ringkrieg-Spieler als auch den Sammler von Tolkien-inspirierten Spielen ist diese Erweiterung ein Muss. Wer nur gelegentlich dazu kommt, die Ringkrieg auf dem Spieltisch auszufechten, kann sicherlich auf eine Vertiefung des schon so anspruchsvollen Spiel verzichten – aber einen Blick würde ich auf jeden Fall darauf werfen, allein die Illustrationen von John Howe sind wieder wunderschön.

Nachbemerkung

Nachdem sich im Korrekturprozess des Grundspiels doch wieder ein paar Fehler unbemerkt durch geschlichen hatten, war ich diesmal besonders kritisch. Glücklicherweise kann ich sagen, dass ich – bisher – noch keinen Fehler bei den Herren von Mittelerde gefunden habe, weder auf den Karten noch in den Regeln. Ich hoffe das bleibt auch so! Trotzdem bitte melden, wenn euch etwas auffällt.